Kinder und Fremdsprachen lernen
Der Trend zum frühen Fremdsprachenlernen ab ca. 3 Jahren ist seit Jahren ungebrochen. Zweisprachige Kindergärten können sich vor Anmeldungen kaum retten, Kindersprachschulen boomen. Die Diskussion, ob solche Kinderkurse sinnvoll sind oder nur den Ehrgeiz der Eltern bedienen, wird in den Medien und Familien häufig geführt. Die wenigsten wissen aber wie so ein Unterricht aussieht. Hier einige Informationen dazu und Antworten auf die häufigsten Fragen zum Thema. Die meisten Angebote gibt es im Bereich Englisch. Deshalb wird hier auf diese Sprache Bezug genommen.
Was genau ist Kinderunterricht und
mit welchen Methoden wird dort gearbeitet?
Die Methodik: Immersion und TPR
In den meisten Kursen wird mit der Immersionsmethode gearbeitet. Diese Methode gilt als weltweit erfolgreichstes Sprachlehrverfahren im Elementar- und Primarbereich und hat mit dem üblichen Sprachunterricht nicht viel gemein. Immersion heißt übersetzt Sprachbad und basiert auf der zu erlernenden Sprache als Umgangs- und Arbeitssprache. Dabei ist es unwichtig, dass die Kinder diese Sprache am Anfang natürlich nicht verstehen. Die neue Sprache wird durch Zeigen, Gestik und Bilder vermittelt und in konkreten Zusammenhängen angewendet (TPR: Total Physical Responce). Die Begriffe erschließen sich von selbst aus der Situation, in der sie benutzt werden. Das ist für die Kinder keine neue Aufgabe, das Erschließen sprachlicher Strukturen müssen sie auch täglich in ihrer Erstsprache leisten. Vokabeln und Regeln werden nicht zum Thema gemacht, da die Sprache selbst nicht Gegenstand des Unterrichts ist. Die Kinder lernen unbewusst, ohne Überforderung und damit kindgerecht. So haben sie auch ihre Muttersprache erlernt. Wie dort entwickeln die Kinder zuerst das Hörverständnis, nach einiger Zeit (der „Silent Period“) fangen sie dann an zu sprechen.
Wie viele Sprachen kann ein Kind lernen?
„Die müssen doch erst mal richtig Deutsch lernen.“ Diese Aussage wird häufig als Argument gegen z.B. Englisch im Kindergarten auch für Kinder aus Migrantenfamilien verwendet. Natürlich ist es wichtig, dass diese Kinder die Sprache des Landes, in dem sie aufwachsen und zur Schule gehen werden, erlernen. Eine weitere Sprache stört diesen Lernprozess jedoch in keiner Weise, sie wirkt sich sogar positiv aus: Sie fördert das Verständnis für die Strukturen von Sprache allgemein und kommt so allen Sprachen zu Gute. Zudem wird die gesamte kognitive Entwicklung durch Mehrsprachigkeit gefördert. Die zweisprachigen Kinder fassen die neue Sprache meist viel schneller als die rein deutschsprachig aufwachsenden.
Generell lässt sich sagen, das weitere Sprachen erlernt werden können, wenn die Muttersprache altersgerecht beherrscht wird. Die Entwicklung in der ersten Sprache muss also nicht abgeschlossen sein. Im Gegenteil: die intensive Phase des Sprachenlernens endet, wenn ein Kind seine Muttersprache perfekt beherrscht. Deshalb ist es sinnvoll, dieses frühe Zeitfenster für den Erwerb von weiteren Sprachen zu nutzen. Es ist mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt, das eine Zweitsprache die Entwicklung der Muttersprache nicht behindert.
Mehrsprachigkeit ist in den meisten Ländern Normalität. Nur etwa ein Drittel der Menschheit wächst einsprachig auf, darunter auch die meisten Kinder bei uns in Europa. Vielleicht ist deshalb hier das Vorurteil weit verbreitet, dass Zwei- oder Mehrsprachigkeit etwas Besonderes und nur schwer zu bewerkstelligen sei. Wichtig ist für zwei- und mehrsprachige Kinder ist, bei der Sprachenverteilung das Prinzip eine Person – eine Sprache eingehalten wird. Außerdem sollte sich die Familie zu Hause für eine einheitliche Familiensprache entscheiden. So können sich beide Sprachen gut entwickeln, ohne das es zu Vermischungen und Sprachdefiziten kommt.
XING: Susanne Böddicker